Demenz und Krankenhäuser: Aufbau demenzfreundlicher Strukturen und spezifische Anforderungen
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Reiner Henrich
Demenz und Krankenhäuser: Aufbau demenzfreundlicher Strukturen und spezifische Anforderungen
Die Versorgung von Demenzpatienten in Krankenhäusern stellt das Gesundheitssystem vor spezifische Herausforderungen. Der Aufbau demenzfreundlicher Strukturen ist von entscheidender Bedeutung, um den besonderen Anforderungen dieser Patientengruppe gerecht zu werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Analyse der Ressourcen und Entwicklungsbedarfe, die helfen kann, gezielte Fortbildungsmaßnahmen zu gestalten und umzusetzen. Mitarbeiter in Krankenhäusern stehen häufig unter enormer Arbeitsbelastung und der Umgang mit Demenzpatienten erfordert zusätzliche Fähigkeiten und Sensibilität. Deshalb ist es entscheidend, Fortbildungsangebote so zu gestalten, dass sie in den Klinikalltag integriert werden können und gleichzeitig die spezifischen Herausforderungen dieser Pflegegruppe abdecken.
Herausforderungen bei der Schulung des Personals
Die Bereitschaft der Krankenhausmitarbeiter zur Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen zum Thema Demenz ist oft unterschiedlich. Die zusätzliche Belastung durch den Umgang mit Menschen, die aufgrund kognitiver Beeinträchtigungen nicht immer kooperieren, führt in vielen Fällen zu Widerstand. Überdies konkurrieren demenzspezifische Schulungen mit anderen als wichtiger wahrgenommenen Themen, wie Notfallmedizin oder Technologien. Doch ohne entsprechende Schulungen kann die Versorgung von Demenzpatienten zu zusätzlichem Stress und sogar zu einer Abnahme der Pflegequalität führen.
Um diesen Problemen zu begegnen, ist es entscheidend, eine Bedarfsanalyse durchzuführen. Hierbei wird der vorhandene Wissensstand des Personals erhoben und die Anforderungen an Qualifizierungsmaßnahmen ermittelt. Diese Analyse sollte auch das individuelle Belastungsempfinden der Mitarbeiter berücksichtigen, um geeignete Fortbildungsformate zu entwickeln, die die Akzeptanz und Motivation zur Teilnahme fördern.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Angehörigenarbeit
Die Einbindung von Angehörigen spielt eine zentrale Rolle, insbesondere bei der Entlassung von Demenzpatienten aus dem Krankenhaus. Angehörige sind oft der wichtigste Pfeiler für die nachhaltige Sicherung der häuslichen Pflege nach dem Krankenhausaufenthalt. Deshalb sollten Schulungen auch auf die Stärkung der Handlungskompetenz von Angehörigen abzielen, um sogenannte „Drehtüreffekte“ – also häufige Krankenhauswiederaufnahmen – zu vermeiden.
Neben den Angehörigen müssen auch niedergelassene Ärzte und andere ambulante Versorger stärker in das Entlassmanagement eingebunden werden. Nur durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Krankenhaus, Hausarzt und Facharzt kann eine lückenlose Weiterversorgung sichergestellt werden. In diesem Zusammenhang können Maßnahmen zur Aufnahmesteuerung entwickelt werden, um unnötige Krankenhauseinweisungen zu vermeiden und Behandlungsbedarfe ambulant zu decken.
Mehrstufiges Qualifizierungsmodell
Ein mehrstufiges Qualifizierungsmodell ist erforderlich, um allen Berufsgruppen im Krankenhaus – von Pflegekräften bis hin zu Ärzten – das notwendige demenzspezifische Wissen zu vermitteln. Dabei könnte eine Basisqualifizierung für alle Mitarbeitenden im Krankenhaus die Grundlage schaffen, um grundlegendes Wissen über Demenz und den sensiblen Umgang mit Demenzpatienten zu erlangen. Diese Basisqualifizierung könnte auch für Angehörige geöffnet werden, um sie besser auf den Umgang mit ihren Familienmitgliedern vorzubereiten.
Für Ärzte bieten sich kurze, aufeinander aufbauende Fortbildungen an, die auf die besonderen Anforderungen in der Diagnostik und Therapie von Demenz eingehen. Oftmals fehlt es an einem umfassenden Verständnis der Auswirkungen von Demenz auf das Leben der Patienten, da die medizinische Ausbildung diesen Aspekt häufig nur oberflächlich abdeckt. Fortbildungen sollten hier ansetzen und Ärzten ein tieferes Verständnis für die biografischen, sozialen und räumlichen Faktoren vermitteln, die das Leben von Demenzpatienten beeinflussen.
Spezifische Schulungsinhalte
Um die Pflegequalität zu verbessern, sollten die Schulungen sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Fähigkeiten vermitteln. Dabei spielen Themen wie:
- Demenzspezifische Diagnostik und Therapie
- Vermeidung von freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM)
- Schmerzassessment und Delirprävention
- Multiprofessionelle Teamarbeit
eine zentrale Rolle. Insbesondere herausfordernde Verhaltensweisen von Demenzpatienten stellen Pflegende vor große Probleme. Hier sind adäquates Fachwissen und Sensibilität erforderlich, um auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen und den Stress für das Personal zu reduzieren.
Nachhaltige Implementierung und die Rolle von Demenzbeauftragten
Ein weiterer Schritt in Richtung demenzfreundlicher Strukturen ist die Einführung von Demenzbeauftragten in Krankenhäusern. Diese Mitarbeiter, idealerweise aus den Bereichen Pflege oder Medizin, können als zentrale Anlaufstelle für alle demenzspezifischen Fragen und Schulungen fungieren. Sie sorgen dafür, dass das erworbene Wissen langfristig im Klinikalltag verankert und die Sensibilisierung für das Thema Demenz im Krankenhaus gestärkt wird.
Demenzbeauftragte übernehmen wichtige Aufgaben, wie die Umsetzung von Fortbildungsprogrammen, die Vermittlung der Relevanz des Themas Demenz an die Mitarbeitenden sowie die Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur Verbesserung der Versorgungssituation von Demenzpatienten. Regelmäßige Fortbildungsangebote und die Etablierung eines interdisziplinären Austauschs zwischen den verschiedenen Berufsgruppen tragen dazu bei, die Versorgung nachhaltig zu verbessern.
Quelle: Demenz und Krankenhäuser- Aufbau demenzfreundlicher Strukturen (10/2021) Handreichung zum Bundesmodellprogramm “Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz“, https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/demenz-und-krankenhaeuser-aufbau-demenzfreundlicher-strukturen-154492