Expertenstandard zur Hautpflege – Chancen und Herausforderungen in der Praxis

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Reiner Henrich
Expertenstandard zur Hautpflege – Chancen und Herausforderungen in der Praxis
In der Ausgabe der Schwester der Pfleger (9/2024) habe ich den Artikel von Petra Blumenberg über die modellhafte Implementierung des Expertenstandards „Erhaltung und Förderung der Hautintegrität in der Pflege“ gelesen und möchte meine Einschätzung dazu abgeben. Der Artikel beschreibt anschaulich die Herausforderungen und Ergebnisse der praktischen Umsetzung dieses Standards, der die Hautpflege als wesentlichen Bestandteil der pflegerischen Versorgung in den Mittelpunkt rückt.
Präventive Hautpflege: Ein entscheidender Schritt
Besonders positiv finde ich die Ausrichtung des Artikels auf die präventive Hautpflege. Oft wird in der Pflege der Fokus erst dann auf die Haut gelegt, wenn bereits Schäden wie Dekubitus oder Wunden sichtbar sind. Der Expertenstandard fordert jedoch eine frühere, systematische Auseinandersetzung mit Hautproblemen wie Xerosis cutis oder Skin Tears, die häufig bei älteren oder pflegebedürftigen Menschen auftreten. Dass Einrichtungen in der modellhaften Implementierung ihre Routinen hinterfragten und neue Maßnahmen ergriffen haben, zeigt den positiven Einfluss solcher Standards auf die Pflegequalität.
Vorteile der präventiven Hautpflege:
- Frühzeitige Erkennung von Hautproblemen
- Steigerung der Pflegequalität
- Vermeidung von Hautschäden wie Dekubitus oder Skin Tears
Schulungen der Pflegekräfte: Ein Schlüsselelement
Ein weiterer Punkt, der mir wichtig erscheint, ist die Schulung der Pflegekräfte. Der Artikel hebt hervor, dass viele Pflegende im Alltag oft nach persönlichen Vorlieben handeln oder auf altbekannte Routinen zurückgreifen, statt wissenschaftlich fundierte Pflegemethoden zu verwenden. Das zeigte sich etwa in der Verwendung parfümierter Lotionen oder unnötig häufiger Waschungen. Ich denke, dass dies ein zentrales Problem in der Pflege ist: Die Zeit für regelmäßige Schulungen fehlt oft, und es mangelt an einer flächendeckenden Umsetzung von Fortbildungen, die alle Pflegekräfte auf dem neuesten Stand halten könnten.
Tipp:
Es sollte mehr in regelmäßige Fortbildungen zu Hautpflege und Hautschutz investiert werden, um Pflegekräfte über aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu informieren.
Dokumentation: Ein bürokratisches Hindernis?
Blumenberg erwähnt auch den bürokratischen Aufwand, der mit der Implementierung des Standards einhergeht, und das ist aus meiner Sicht ein entscheidender Punkt. Viele der teilnehmenden Einrichtungen berichteten von Problemen bei der Dokumentation der Hautzustände und der geplanten Pflegemaßnahmen. Besonders digitale Pflegedokumentationen, die häufig standardisierte Eintragungen verlangen, erschweren die genaue Erfassung individueller Hautzustände. Ich halte es für absolut notwendig, dass Pflegedokumentationen flexibler und anpassbarer werden, damit Pflegende nicht gezwungen sind, sich in starren Strukturen zu bewegen, die den tatsächlichen Pflegebedürfnissen nicht gerecht werden.
Nachteile aktueller Dokumentationssysteme:
- Erhöhter bürokratischer Aufwand
- Mangel an Flexibilität bei der Erfassung individueller Hautzustände
- Hindernisse bei der praktischen Umsetzung in den Pflegealltag
Reduktion der Hautpflegeprodukte: Weniger ist mehr
Ein interessanter Aspekt des Artikels war auch die Reduktion der Hautpflegeprodukte in den Einrichtungen. In einem Krankenhaus wurde die Anzahl der verwendeten Produkte von 35 auf 15 reduziert, was zeigt, dass in vielen Fällen eine übermäßige Produktauswahl herrscht. Diese Reduzierung trägt nicht nur zur besseren Übersicht bei, sondern kann auch helfen, die Hautpflege zu standardisieren und gezielter auf die Bedürfnisse der Patienten einzugehen.
Akzeptanz der Maßnahmen: Ein Schlüssel zum Erfolg
Ein weiterer Punkt, den der Artikel anspricht, ist die Akzeptanz der neuen Pflegemaßnahmen bei den Betroffenen und deren Angehörigen. Es wurde beschrieben, dass Angehörige und Patienten zunächst skeptisch gegenüber weniger häufigem Waschen oder dem Verzicht auf parfümierte Produkte waren. Hier spielt die Aufklärung eine entscheidende Rolle. Es ist verständlich, dass gewohnte Pflegeroutinen als angenehm empfunden werden, aber es muss vermittelt werden, dass die langfristige Hautgesundheit Vorrang vor kurzfristigen Wohlfühleffekten hat.
Tipp:
Um die Akzeptanz neuer Pflegemaßnahmen zu erhöhen, sollten Pflegende gezielte Beratungen für Angehörige und Patienten anbieten.
Fazit
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Expertenstandard „Erhaltung und Förderung der Hautintegrität“ eine wichtige Grundlage für die Verbesserung der Pflegepraxis bietet. Doch wie im Artikel deutlich wird, sind die Umsetzung und der langfristige Erfolg von mehreren Faktoren abhängig: Schulungen, Dokumentation, Produktauswahl und nicht zuletzt die Akzeptanz bei Pflegebedürftigen und Angehörigen. Die im Artikel beschriebenen Erfahrungen aus der modellhaften Implementierung zeigen, dass es möglich ist, Pflegeprozesse systematisch zu verbessern, doch dafür müssen die strukturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen stimmen.
Herausforderungen bei der Umsetzung:
- Mangel an qualifizierten Pflegekräften
- Hohe Arbeitsbelastung
- Schwierigkeiten bei der Integration von Fortbildungen
Meiner Meinung nach wird die Einführung dieses Expertenstandards auf lange Sicht positive Effekte auf die Pflegequalität haben, sofern die beschriebenen Herausforderungen angegangen werden. Investitionen in Fortbildungen, flexible Dokumentationssysteme und die Bereitstellung ausreichender Ressourcen sind hierbei entscheidend. Der Artikel in Schwester der Pfleger bietet einen wertvollen Einblick in die Praxis und zeigt auf, wie wichtig es ist, wissenschaftlich fundierte Standards in die tägliche Pflegearbeit zu integrieren.