Aktuelle Entwicklungen im Expertenstandard zur Kontinenzförderung in der Pflege

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Reiner Henrich

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In der Pflegepraxis ist das Thema der Kontinenzförderung von zentraler Bedeutung. Der überarbeitete Expertenstandard „Kontinenzförderung in der Pflege“, der nun auch Stuhlkontinenz berücksichtigt, stellt eine bedeutende Erweiterung dar. Diese Änderung reflektiert die hohe Relevanz und Komplexität der Thematik, insbesondere da Harn- und Stuhlinkontinenz weit verbreitete Probleme darstellen, die alle Altersstufen betreffen können. Besonders im höheren Lebensalter steigt das Risiko, und Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

Die Herausforderung bei der Behandlung und Pflege von Inkontinenz liegt unter anderem in der Tabuisierung und dem damit verbundenen Schamgefühl. Viele Betroffene suchen aus diesen Gründen keine professionelle Hilfe und verschweigen ihre Probleme. Zudem herrscht oft die Annahme, dass Inkontinenz ein normaler Teil des Alterungsprozesses ist.

Der aktualisierte Expertenstandard legt den Schwerpunkt auf den Beitrag professionell Pflegender zur Erhaltung und Förderung der Harn- und Stuhlkontinenz bei Menschen mit Pflegebedarf. Hierbei wird besonders betont, dass Harn- und Stuhlinkontinenz sowie deren Förderung sehr intime Bereiche der Betroffenen berühren. Professionelles Handeln in diesem Kontext erfordert ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und eine individuelle Fallorientierung. Dabei ist es essenziell, das Schamgefühl der Betroffenen zu schützen und einen angemessenen, erwachsenengerechten Sprachgebrauch zu pflegen, der Begriffe aus der Säuglingspflege vermeidet.

Die Einbeziehung von Angehörigen in die Pflege und Betreuung von Inkontinenz ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt. Es muss jedoch stets die Zustimmung der betroffenen Person eingeholt werden, bevor Angehörige informiert oder in die Versorgung einbezogen werden. Die Nicht-Einbeziehung der Angehörigen kann zwar zu Herausforderungen in der kontinuierlichen Umsetzung führen, aber der Wunsch des Betroffenen hat Priorität. Gleichzeitig ist zu beachten, dass Inkontinenz für pflegende Angehörige eine Belastung darstellen und die Beziehung zwischen ihnen und dem Betroffenen beeinflussen kann.

Aktuell befindet sich der Expertenstandard in seiner zweiten Überarbeitungsphase und soll Anfang 2024 veröffentlicht werden. Von März bis September 2024 wird ein praxisorientiertes Projekt durchgeführt, in dem das wissenschaftliche Team des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) 25-30 Einrichtungen aus dem Bereich der stationären und ambulanten Langzeitpflege, Krankenhäuser, Rehabilitationskliniken und Kurzzeitpflegeeinrichtungen sucht. Diese Einrichtungen sollen ihr aktuelles Qualitätsniveau zur Kontinenzförderung überprüfen und weiterentwickeln. Ziel des Projekts ist es, Hinweise zur Qualitätssteuerung der Kontinenzförderung in den beteiligten Einrichtungen zu erhalten und die Praxistauglichkeit sowie Akzeptanz der auf dem aktualisierten Expertenstandard basierenden Qualitätsindikatoren zur pflegerischen Kontinenzförderung zu erproben.

Insgesamt zeigt sich, dass der aktualisierte Expertenstandard “Kontinenzförderung in der Pflege” ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Pflegequalität für Menschen mit Inkontinenz ist und einen wesentlichen Beitrag zur Professionalisierung in diesem sensiblen Bereich der Pflege leistet.