Mehr Rechte bei der Wahl der richtigen Hilfsmittel

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen stärkt die Rechte von Menschen mit Behinderung, indem es ihnen ermöglicht, Hilfsmittel wie Rollstühle selbstständig und frei zu wählen. Diese Entscheidung ist von großer Bedeutung für die Regelungen und Definitionen bezüglich der Hilfsmittelwahl bei Pflegebedürftigen und zeigt, dass der Fokus auf Selbstbestimmung und individuellen Bedürfnissen liegen sollte.

Der Fall, der zu diesem Urteil führte, betraf einen 49-jährigen querschnittsgelähmten Mann und seine Krankenkasse. Bislang war der Mann mit einem Aktivrollstuhl und einem mechanischen Handbike versorgt. Aufgrund nachlassender Kraft und zunehmender Schulterbeschwerden beantragte er bei der Krankenkasse ein elektrisch unterstütztes Zuggerät (Aktenzeichen: L 16 KR 421/21). Die Kasse lehnte den Antrag jedoch ab, da dieser als zu teuer eingestuft wurde. Stattdessen bot die Krankenkasse dem Mann einen Elektrorollstuhl an. Die Argumentation der Krankenkasse basierte darauf, dass ein elektrisch unterstütztes Zuggerät zwar wünschenswert, hilfreich und sinnvoll sein mag, aber eine nicht notwendige Überversorgung darstellt, wenn eine Basismobilität auch mit einem Hilfsmittel gesichert werden kann, das lediglich die Hälfte kostet. Der Mann lehnte den angebotenen Elektrorollstuhl jedoch ab, da er eine rein passive Fortbewegung für sich als nicht adäquate Alternative ansah. Selbst der Medizinische Dienst hatte einen Elektrorollstuhl in seinem Fall als “Zumutung” bewertet. Im Gegensatz zum Sozialgericht Oldenburg in der ersten Instanz entschied das Landessozialgericht zugunsten des Mannes und verurteilte die Krankenkasse zur Kostenübernahme des gewünschten Hilfsmittels. Die Begründung der Kammer für ihre Entscheidung war, dass ein querschnittsgelähmter Versicherter nicht gegen seinen Willen auf einen rein passiven Elektrorollstuhl zur Erschließung des Nahbereichs verwiesen werden könne, wenn er lediglich eine elektrische Unterstützung benötige.

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung des Wunsch- und Wahlrechts des behinderten Menschen, dem volle Wirkung zukommen sollte. Die Leistung sollte den Berechtigten viel Raum zur eigenverantwortlichen Gestaltung ihrer Lebensumstände lassen und ihre Selbstbestimmung fördern. Im Fall des Klägers würde eine nicht gewünschte Versorgung mit einem Elektrorollstuhl dem Selbstbestimmungsrecht des Behinderten widersprechen. Dieses Urteil hat weitreichende Folgen für die Regelungen und Definitionen zur Hilfsmittelwahl bei Pflegebedürftigen. Es zeigt, dass die Bedürfnisse und Wünsche der Betroffenen im Vordergrund stehen sollten und dass die Krankenkassen verpflichtet sind, entsprechende Hilfsmittel bereitzustellen. Dabei sollte das Hauptaugenmerk auf der Förderung von Selbstbestimmung und der Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Gestaltung der Lebensumstände liegen. Zukünftig sollten Krankenkassen und andere Versorgungsträger bei der Entscheidungsfindung über Hilfsmittel stärker auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Pflegebedürftigen achten. Dabei müssen sie eine Balance finden zwischen den Kostenaspekten und dem Ziel, die bestmögliche Versorgung sicherzustellen. Die Beteiligung von Experten wie Medizinischen Diensten, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten kann dabei hilfreich sein, um eine fundierte Entscheidung zu treffen und den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden. Ebenso wichtig ist es, dass Pflegebedürftige und ihre Angehörigen gut informiert sind und ihre Rechte kennen. Sie sollten ermutigt werden, bei Unstimmigkeiten oder Unzufriedenheit mit den vorgeschlagenen Hilfsmitteln ihre Bedenken zu äußern und gegebenenfalls rechtliche Schritte einzuleiten.

Eine transparente Kommunikation zwischen den Beteiligten kann dazu beitragen, Missverständnisse zu vermeiden und letztendlich zu einer optimalen Versorgung zu führen. Überdies sollten auch politische Entscheidungsträger und Gesetzgeber diese Entwicklungen beobachten und gegebenenfalls Anpassungen in der Gesetzgebung vornehmen, um den Rechten von Menschen mit Behinderung und Pflegebedürftigkeit weiterhin gerecht zu werden. Dies kann unter anderem die Schaffung von Leitlinien für die Auswahl von Hilfsmitteln oder die Verbesserung der finanziellen Unterstützung für Pflegebedürftige und ihre Familien beinhalten. Insgesamt zeigt das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen die Notwendigkeit auf, den Fokus auf Selbstbestimmung, individuelle Bedürfnisse und angemessene Versorgung bei der Hilfsmittelwahl zu legen. Die Stärkung der Rechte von Menschen mit Behinderung und Pflegebedürftigkeit ist ein wichtiger Schritt hin zu einer inklusiveren und gerechteren Gesellschaft, in der jeder die Möglichkeit hat, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Um dies zu erreichen, müssen alle beteiligten Akteure – von den Krankenkassen über die Angehörigen bis hin zu politischen Entscheidungsträgern – gemeinsam daran arbeiten, Barrieren abzubauen und die bestmögliche Versorgung für alle Betroffenen zu gewährleisten.

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Ansprechpartner

Reiner Henrich