Ein gesundes Distanz-Nähe-Verhältnis
In der Pflege kommt es täglich vor, dass Pflegefachkräfte in die Privat- und Intimsphäre der Patientinnen und Patienten eingreifen. Aber auch persönliche Grenzen der Mitarbeitenden können überschritten werden oder eine Imbalance in Bezug auf das richtige Distanz-Nähe-Verhältnis entstehen. Dies passiert beispielsweise, wenn die Pflegefachkraft eine zu emotionale Bindung mit der Patientin oder dem Patienten aufbaut und sich von der Krankheits- oder Lebensgeschichte zu sehr mitreißen lässt. In solchen körpernahen Berufen ist es wichtig die professionelle Pflege mit gesunder Empathie und der nötigen Distanz zu wahren, um die wichtige Arbeit langfristig erfüllend ausführen zu können. Für Pflegefachkräfte gehören Berührungen und Kontakte zum Berufsalltag, wohingegen das für die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen immer ein Eindringen in deren persönliche Schutzzone ist. Vielen
ist das nach vielen Jahren in dieser Branche nicht mehr bewusst oder Anfängerinnen und Anfänger haben dieses Bewusstsein von überschrittenen Grenzen noch nicht entwickelt. Deswegen gilt es diese Regeln im Umgang mit einer Pflegesituation immer zu befolgen. Bevor das Zimmer betreten wird, muss immer angeklopft und einen Moment gewartet werden, bevor man die Tür öffnet, selbst wenn sich die dahinter befindende Person nicht mehr äußern kann. Das ist ein Zeichen von Respekt und erlaubt es der Patientin oder dem Patienten sich vorzubereiten, sodass dieser Kontakt kein unkontrolliertes Eindringen mehr in die Privatsphäre darstellt. Den Patientinnen und Patienten soll ein Gefühl von Sicherheit vermittelt werden, deshalb muss ihnen auf Augenhöhe begegnet (auf Rollstuhl-, Stuhl- oder Bettebene) und die eigene Geschwindigkeit gedrosselt werden, damit kein Eindruck von „Überfallen“ entsteht, d.h. die Tür langsam schließen und leise laufen und auch die Geschwindigkeit beim Reden drosseln. Alle Behandlungen oder Pflegeschritte müssen den Betroffenen immer
erklärt werden, auch wenn diese das kognitiv nicht mehr richtig wahrnehmen können, dabei geht es allein um das Gefühl, miteinbezogen zu werden. Dieses erlernte Schema sollte also immer von Empathie und Feinfühligkeit begleitetet sein, für einige ist es jedoch eine Herausforderung hier die Professionalität zu wahren. In diesem Fall ist die Zeit der beste Lehrer und man sollte sich keine Vorwürfe machen, wenn die Patientin oder der Patient etwas an dem Umgang zu bemängeln hat, schließlich sind wir alle nur Menschen, die täglich ihr Bestes geben. Und auch wenn einmal Grenzen überschritten werden, wenn die Hilfsbereitschaft ausgenutzt wird oder auch bei sexuellen oder verbalen Übergriffen, ist es unerlässlich seine Grenzen aufzuzeigen und sich auch an die
Grenzen des Gegenübers zu halten. Solche Übergriffe sollten jedoch immer gemeldet und kommuniziert werden, damit dagegen vorgegangen werden kann und die Vorgesetzten die Möglichkeit haben, zu helfen. Die persönlichen Grenzen der Patientin oder des Patienten zu erkennen, fällt oft leichter als das Erkennen der eigenen Grenzen, denn man merkt beispielsweise gleich, wenn sich der Gegenüber unwohl fühlt, anders als bei sich selbst. Eindeutige Zeichen dafür erkennt man beispielsweise darin, dass man die Geschehnisse des Tages mit nach Hause genommen hat und bestimmte Situationen einen am Schlaf hindern. Ein weiteres Beispiel wäre die Situation, dass man wiederholt unbezahlt länger arbeitet, um den Bewohnerinnen oder Bewohnern einen Gefallen zu tun. Letzteres kommt häufig vor, wenn die Pflegefachkraft, aufgrund von fehlenden Angehörigen, die einzige Bezugs- und Vertrauensperson wird und diese sich
verantwortlich für das Wohlbefinden der Patientin oder des Patienten fühlt. Bei sexuellen Übergriffen oder ähnlichem gegenüber der Pflegekraft, sollte man sich sofort zurückziehen und Schutz suchen. Teamfortbildungen zum richtigen Verhalten können entweder behandelnd oder präventiv helfen. Aber auch Vorkommnisse, welche seitens der Patientinnen oder Patienten gemeldet werden, müssen ernst genommen und es muss in jedem Fall interveniert werden. Die Vorgesetzten müssen davon in Kenntnis gesetzt werden und Maßnahmen einleiten. Denn die Ängste oder Wünsche der Patienten zu übergehen, würde ebenfalls bedeuten die Grenzen der betreffenden Patienten zu überschreiten und dies sollte zwingend vermieden werden.
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