Kriegstraumata begleiten

In der Weltgeschichte gab es kaum aufeinanderfolgende Jahre, in denen es nicht irgendeinen Krieg auf einem Flecken der Erde gab. Seit 1945 war die Erde beispielsweise nur 26 Tage ohne Krieg. Gerade die Generation, die mit oder nach dem zweiten Weltkrieg leben musste und heute teilweise noch lebt, versteht die momentane Angst vor einem dritten Weltkrieg. Aufgrund der vorangegangen jahrelangen Ukraine-Krise und des darauffolgenden Angriffskrieges auf die Ukraine steigt diese Angst und gerade der Hauptteil der Pflegebedürftigen hat eine solche Situation schon einmal miterlebt, nicht zuletzt der Kalte Krieg, der Gott sei Dank nicht in einem Angriff endete. Diese schrecklichen Ereignisse wurden meist nie emotional aufgearbeitet und ihr Leben wurde immer von Kriegsangst begleitet, die oft generationsübergreifend weiteregegeben wird. Gerade jetzt ist es wichtig, diese oft mit einem Trauma belasteten Menschen aufzufangen und ihnen das Gefühl von Sicherheit zu geben.

Sehr wichtig ist es, genügend über die aktuelle Situation aufzuklären und die Aggressionsherde der momentanen Situationen, bspw. die Separatisten in der Ukraine und auch den Standpunkt des russischen Staatspräsidenten zu erklären und nicht den Patienten seine eigenen Vorstellungen und Ängste bilden zu lassen. Diese drohende Angst vor einem dritten, möglicherweise nuklearen Weltkrieg wird viele in ihrem Alltag begleiten, was dann auch dazu führt, dass es ein wichtiges Gesprächsthema wird und da die Pflegefachkräfte oft ständige und die einzigen Ansprechpartner sind, sollten sie sich mit der Situation auseinandersetzen und aber nicht zurückschrecken, wenn einen die Situation selbst belastet. Auch darüber kann und sollte man ehrlich reden, um den Patienten oder auch Kollegen und Kolleginnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind mit ihren Ängsten. Dieses Gefühl, nicht allein zu sein ist essenziell, wenn es um den Umgang mit kriegstraumatisierten Menschen geht. Ganz massiv getroffen hat es die Geflüchteten aus der Ukraine, die bei uns gepflegt werden müssen und unabhängig ihres Alters, traumatisiert sind. Diese Menschen bilden zwangsläufig ein verändertes Verhaltensmuster, mit dem anders umgegangen werden muss. Hier sollten sich Pflegefachkräfte in der Betreuung vor Augen halten, was jene Patienten schon alles erleben mussten und sich selbst Grenzen aufziehen, ab wann dann beispielsweise ein Seelsorger zu Rate gezogen wird. Die Realität zu vermitteln, dass der Krieg zwar nah, doch immer noch in der Ukraine stattfindet und damit auch die mediale Belastung, durch die oft ein verzerrtes Bild auf Grund ständiger Berichterstattung entsteht, zu reduzieren ist sehr wichtig. Gerade die hier lebenden Älteren haben in Bezug auf Krieg schon viel mitgemacht, das sollte man wertschätzen und auch zuhören, da diese Erfahrungen vergleichbar sind mit heutzutage (bspw.: nukleare Aufrüstung im Kalten Krieg oder die Kuba-Krise, die sich auch weltweit hätte ausweiten können). Aber höchste Priorität hat, die Patienten nicht in dieser Angst zu bestärken, sondern ihnen Hoffnung zu geben. Hoffen zu lassen, dass alles gut ausgeht. Hoffen zu lassen, dass ihre Familie in Sicherheit bleibt. Hoffen zu lassen, dass sie sich nicht mehr lange mit der Situation auseinandersetzen müssen. Auch wenn der Krieg an einem Tag mal nicht thematisiert wird, sollte man nicht davon ausgehen, dass es sie nicht mehr beschäftigt, sondern auch darauf eingehen, wenn sich die Gefühle der Patienten verändern und ihnen immer die Möglichkeiten zum Gespräch anzubieten.

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Ansprechpartner

Reiner Henrich