Multiresistente Keime werden immer gefährlicher

Infektionen jeglicher Art führten im Mittelalter und auch in späteren Zeitaltern fast immer sicher zum Tode. Betroffen waren Kinder, Jugendliche, Erwachsene und ältere Menschen gleichermaßen und an ein Heilmittel war nicht zu denken. Dass Meningokokken-Meningitis, Syphilis, Erkrankungen durch Pneumokokken oder auch Tuberkulose später einmal gut behandelbar sein und keine lebensbedrohlichen Erkrankungen mehr darstellen würden, war eine utopische Vorstellung für die Menschen damals. Mit der Entdeckung des ersten wirksamen Antibiotikums Prontosil durch den deutschen Chemiker Gerhard Domagk in den 1930er Jahren begann man erstmals mit einer erfolgreichen Chemotherapie von akuten bakteriellen, zuvor nicht therapierbaren Erkrankungen. Auch das erste wirksame Antituberkulotikum Thiosemicarbazon, ebenfalls von Gerhard Domagk entwickelt, und die Entdeckung von Penicillin durch Sir Alexander Fleming revolutionierten die Ära der gerade begonnenen Infektiologie. Ein wirklicher Durchbruch gelang dann ein Jahrzehnt später mit der industriellen Herstellung von Penicillin. Vorstehend aufgeführte Krankheiten waren dann in den 50er Jahren keine Gefahr mehr, weder für Kinder, Jugendliche oder Erwachsene und rafften dementsprechend nicht mehr zahlreiche Menschen dahin. In den 80er Jahren dann wagten die Ärzte immer gefährlichere Operationen mit höherem Infektionsrisiko, da das Vertrauen in die innovativen Antibiotika so groß war. Bis heute sind diese Antibiotika auf gar keinen Fall mehr wegzudenken, komplexe orthopädische Chirurgie, Abdominalchiurgie oder Neurochirurgie wären nicht möglich ohne sie. All die Innovationen der letzten Jahrzehnte haben ab den 2000er Jahren aber leider stark abgenommen, es wurden kaum noch neue Antibiotika entwickelt und v.a. gegen gramnegative Erreger wurde außer dem Tigecyclin nichts mehr entwickelt. Auch nosokomiale Infektionen rückten immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit, da sich solche, v.a. im Bereich der Intensivmedizin, verstärkt verbreiten. Das Hauptproblem stellen aber antibiotikaresistente Keime dar, deren Ausbreitung durch internationale Migration, den Klimawandel oder Patientenverlegungen gefördert wird. Gefährlich wird eine starke Ausbreitung der sogenannten MRGN-Keime, multiresistente gramnegative Stäbchenbakterien, zu denen die 4MRGN-Keime gehören. Einige Erreger dieser Gruppe, wie der NDM-1 („New Delhi Metallo-ß-Laktamase-1“) können nur mit Reserve- oder Altantibiotika therapiert werden. Bei diesem Erreger, ursprünglich vom indischen Subkontinent kommend, ist es mittlerweile soweit, dass die nephrotoxische Substanz Colistin eine Renaissance erlebt, da jenes Antibiotikum das einzig noch wirksame Mittel gegen diese Keime ist. Aufgrund dieser multiresistenten Keime ist es enorm wichtig, spezifische intensivpflegerische Maßnahmen einzuleiten, um zu verhindern, dass sich das letzte Jahrhundert wiederholt und Infektionen, welche nicht mehr therapierbar sind, Angst und Schrecken verbreiten. Dann würde es erneut zu einer hohen Mortalität kommen und klinische Angebote, wie die Neurochirurgie und viele mehr, könnten nicht mehr durchgeführt werden. Diese besorgniserregende Situation veranlasst die Bundesregierung seit knapp 10 Jahren gegen Multiresistenzen vorzugehen, weswegen das Infektionsschutzgesetz von 2011 die Krankenhäuser und Einrichtungen für ambulante Operationen verpflichtet, den Antibiotikaverbrauch genau zu dokumentieren und zu bewerten. Hierfür sollen Spezialisten aus verschiedenen Bereichen, wie zum Beispiel der Infektiologie oder Mikrobiologie zusammenarbeiten. Die Infektionsberatung in den Krankenhäusern muss ebenfalls ausgebaut werden und fordert Spezialisten an der Seite der Ärztinnen und Ärzte, die die Patientinnen und Patienten mitbehandeln. Es ist nachgewiesen, dass Expertinnen und Experten gegenüber unerfahrenen Pflegefachkräften die Mortalität senken können und eine erfolgreichere Therapie bewirken. Andernfalls könnte sich der Zustand verschlechtern und die Ausbreitung multiresistenter Erreger gefördert werden. Dazu werden in vielen Krankenhäusern sogenannte Antibiotic-Stewardship-Expertinnen und -Experten ausgebildet und das sogar international, um möglichst effektiv und qualitativ mit Antibiotika umzugehen, da es bei falscher Verwendung und Behandlung noch mehr Probleme bereiten kann. Abseits solcher Fortbildungen und Schulungen bietet die Antibiotic-Stewardship-Initiative (kurz ABS Initiative) auch Schulungen und Informationsprogramme für alle Interessierten, solche Angebote sind auch sehr hilfreich für alle Pflegefachkräfte bei der individuellen Bekämpfung der multiresistenten Erreger. Studien solcher ABS-Programme ergaben, dass der Verbrauch von Antibiotika intensivmedizinisch und ambulant zurückging, zudem waren die Therapien der multiresistenten Erreger insgesamt erfolgreicher und Fälle mit Ansteckung solcher gingen ebenfalls zurück. Dass sich Resistenzen nicht oder nur schwer vermeiden lassen, haben die Studien ebenfalls gezeigt. Deswegen ist eine weitere Maßnahme, an der gearbeitet werden muss, den Hygienestandard in den Krankenhäusern und Einrichtungen für ambulante Operationen zu verbessern. Denn mit einer funktionierenden Hygienestruktur lassen sich schwere Krankheitsverläufe mildern oder sogar verhindern. Ein Appell an alle Reisenden ist: bei lokaler Ernährung, v.a. in afrikanischen Ländern, wo die multiresistenten Keime weit verbreitet sind, alles gut durch zu kochen, stark zu erhitzen und zu schälen oder darauf zu verzichten, denn die meisten Erreger finden sich im Darm nach Magen-Darm-Infektionen.

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Reiner Henrich