Obstipation: ein ernstzunehmendes Thema

Es ist eine Volkskrankheit, die mehrheitlich tabuisiert und als Lappalie abgetan wird: eine Verstopfung, im schlimmsten Fall daraus resultierend: eine Darmlähmung. Eigentlich ist es eine ganz natürliche Sache, den Darm richtig entleeren zu können, für viele stellt es kein Problem dar, aber gerade bei Betroffenen sollte man ein genaues Auge darauf haben. Eine Obstipation stellt eine Lebenseinschränkung dar, nicht zu vergessen: die gesundheitlichen Probleme, die damit einhergehen. Und Verstopfung ist nicht gleich Verstopfung, jeder Mensch nimmt dieses Gesundheitsproblem unterschiedlich wahr und
hat andere Symptome. In den westlichen Industriestaaten leiden bereits rund 25% der Bevölkerung darunter, Tendenz steigend. Im Grunde ist es das subjektive Gefühl, den Darm nicht ganz, nicht oft genug oder nur unter Beschwerden entleeren zu können und das führt häufig zu solchen Einschränkungen, dass der normale Alltag nicht mehr gelebt werden kann. Es ist deshalb so wichtig, die Patientinnen und Patienten zu beobachten, weil diese eine Verstopfung oft nicht erkennen (wollen) oder auch damit verbundene Symptome, wie einen aufgeblähten Bauch, harten Stuhlgang oder Ähnliches als Nebenwirkungen der Medikamente abtun. Oft schämen sie sich schlichtweg, über dieses sensible Thema mit für sie völlig fremden Menschen zu reden. Dass eine Verstopfung durch Medikamente hervorgerufen wird kann auch stimmen, besonders bei der Verabreichung von Opioiden nach Operationen, weswegen hier eine Obstipationsprophylaxe erfolgen muss. In den meisten Fällen bleibt die genaue Ursache aber unklar und es ist auch nicht bekannt, wie viele Patientinnen und Patienten unter Obstipation leiden. Die häufigsten Gründe sind ein Flüssigkeitsmangel, unzureichende Bewegung, ballaststoffarme Ernährung, Nerven- oder Darmerkrankungen oder psychische Probleme. Dass etwas nicht normal funktioniert, merkt man daran, dass der Stuhlgang nicht mehr schmerzlos ist, nicht mehr ohne Anstrengung und willentlich funktioniert, die Patientinnen und Patienten in mind. einem Viertel der Defäkationen pressen müssen für die Stuhlentleerung, harten Stuhlgang, das Gefühl einer unvollständigen Entleerung, das Gefühl einer anorektalen Blockierung haben, manuelle Unterstützung bei der Entleerung benötigen und weniger als dreimal in der Woche überhaupt Stuhlgang haben. All diese Zeichen sind nicht zwingend gesundheitsgefährdend, schließen aber auf einen ungesunden oder nicht mehr korrekt arbeitenden Darm und das wiederum kann gesundheitsgefährdend werden. Deshalb ist es wichtig, dass die Pflegefachkräfte die Ausscheidungen beobachten, um mögliche Erkrankungen frühzeitig erkennen zu können und dass ausreichend Aufklärungsarbeit betrieben wird, damit man die Patientinnen und Patienten unterstützen und ihnen ein Stück ihrer Lebensqualität wiederbringen kann. Ein normaler Stuhl setzt sich aus 75% Wasser, 10% Abfallprodukten, 7% Epithelien und 8% Salzen, Schleim und Bakterien zusammen. Verschiedene Nahrungsmittel können die Farbe verändern, die ursprünglich von der Gallenflüssigkeit im Darm herrührt, wie etwa Rote Beete. Dann wird der Kot rötlicher, bei Einnahme von Eisenpräparaten wird er schwarz. Nach der Diagnostik einer Obstipation durch Beobachtung oben genannter Kriterien können dem Patienten Glycerinzäpfchen durch einen Arzt verschrieben werden, allerdings nur von kurzer Dauer, da sie dann kaum Nebenwirkungen hervorrufen können und keine Dauerlösung für eine adäquate Darmentleerung darstellen. Auch bei dem Gebrauch von Abführmitteln ist Vorsicht walten zu lassen, da dies schnell zu einem Missbrauch führen kann. Die Pflegefachkräfte müssen bei Verdacht unbedingt handeln, weil die Verstopfung sonst noch schlimmere Auswirkungen mit sich bringt. Herkömmliche Hilfestellungen bei einer Verstopfung sind der Verzicht auf Fleischprodukte, da dann mehr Ballaststoffe und Kohlenhydrate durch die Darmflora verarbeitet werden und der Stuhlgang weicher und häufiger wird. Auch eine gesteigerte Flüssigkeitsaufnahme ist wichtig, denn der Verdauungsprozess entzieht dem Darm Wasser, welches er schnellstmöglich wieder aufnehmen muss, zwei Liter Flüssigkeiten am Tag ist das Minimum. Für eine richtige Darmfunktion ist es wichtig, den Tag über regelmäßig zu essen, am wichtigsten das Frühstück, welches bestmöglich immer zur selben Zeit eingenommen werden sollte. Das regelmäßige Essen sorgt dafür, dass der Darm immer in Bewegung ist und weniger stagnieren kann. Eine erhöhte Zufuhr an Ballaststoffen über die Ernährung ist ebenfalls förderlich, da diese Wasser im Darm binden und aufquellen, was einen schnellen Weitertransport und weicheren Stuhlgang bewirkt. Zu geringe Flüssigkeitsaufnahme bewirkt dann leider das Gegenteil und zwar, dass die Ballaststoffe im Darm stocken. Ein Glas Milch, warmes Wasser, Buttermilch oder kalter Saft zu den Mahlzeiten mobilisieren den Darm, 1-2 Esslöffel Leinsamen in mind. einem halben Liter Flüssigkeit aufgelöst ebenfalls. Auch Traubensaft oder Sauerkrautsaft können der Darmgesundheit helfen, genauso wie ungeschwefelte Trockenfrüchte, wie etwa Pflaumen, Birnen oder Äpfel. Abends können Feigen gegessen oder 30 ml kaltgepresstes Olivenöl eingenommen werden. Bei all diesen Hilfsmöglichkeiten für den Darm muss immer auf den restlichen Körper der Patientinnen und Patienten geachtet werden, also dass keine Kontraindikationen mit anderen Krankheiten, wie Herz-Kreislaufproblemen oder Nierenerkrankungen, Problemen mit der Galle oder Diabetes vorliegen. Dass das sogenannte Bauchhirn, der Darm auch von psychischen Belastungen geschädigt werden kann, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Unser Gehirn und der Darm sind gegenseitig rückgekoppelt und bedingen sich gegenseitig. Wenn etwas mit dem Darm nicht stimmt, leidet nicht nur unser Körper und das Immunsystem, sondern auch unsere Psyche, genauso leidet der Darm, wenn es der Psyche nicht gut geht. Und gerade bei Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeeinrichtungen spielen die Gedanken schon mal verrückt, schließlich ändern sich ab diesem Lebensabschnitt der gesamte Alltag und die Lebensumstände. Für viele stellt das eine Herausforderung dar, die dann schon mal für Verstopfungen sorgen kann. Die Aussage, dass etwas auf den Magen (oder eben Darm) schlägt, rührt nicht von ungefähr. Eine zusätzliche Belastung in dieser Situation, oft auch krankheitsbedingt, ist eine zu geringe körperliche Aktivität. Zu wenig körperliche Bewegung führt dazu, dass der Darm auch nicht ausreichend mobilisiert wird, was dann wiederum eine Verstopfung hervorruft. Wenn das Krankheitsbild Mobilisation zulässt, kann die Patientin oder der Patient Übungen durchführen, um etwas Mobilität in den Alltag zu bringen und die Darmentleerung in Schwung zu bringen. Eine unterstützende Maßnahme, welche die Pflegefachkräfte anbieten können, ist eine Kolonmassage, also eine gezielte Massage des Darms, inklusive des Dünn-, Dick- und des Enddarms. Eine Untersuchung des Enddarms ist bei der Diagnose einer Obstipation unbedingt erforderlich, um andere bösartige Krankheiten mit gleichen Symptomen, wie Darmkrebs ausschließen zu können. Hilfreich bei der Diagnose ist die Befragung der Patientin oder des Patienten bezüglich gewohnter Lebensumstände, ob sie/er sich viel bewegt hat, zudem sollten die Ernährungsgewohnheiten erfasst werden, um mögliche Ursachen hier zu finden und die psychische Verfassung der neuen Heimbewohnerin oder des neuen Heimbewohners sollte ermittelt werden. Prophylaktisch können ebenfalls einige Maßnahmen getroffen werden, die Abläufe in der neuen Umgebung sollten den Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern gleich von Anfang an erläutert werden, damit Irritationen, die sich vermeiden lassen, gar nicht erst entstehen. Sie sollten sich in jeder Situation und jedem Bereich des Lebens im Heim sicher fühlen, was auch bedeutet für mehr Privatsphäre bei den Toiletten zu sorgen, denn viele schämen sich für ihren Stuhlgang und unterdrücken diesen eventuell, wenn sie das Gefühl haben, dass die Umgebung nicht privat genug ist. Bezüglich all dieser Umstände haben die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und die Deutsche Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) im April 2022 eine überarbeitete Leitlinie mit dem Titel „Aktualisierte S2k-Leitlinie chronische Obstipation“ veröffentlicht. Diese richtet sich an alle Mediziner, welche Patientinnen und Patienten mit chronischer Obstipation versorgen oder an der Versorgung beteiligt sind, ferner ist sie als Informationen für Angehörige und Leistungserbringer gedacht. Wichtige Inhalte und Empfehlungen dieser Leitlinie wurden hier bereits genannt, Genaueres ist in dem Skript, welches bei AMWF online publiziert wurde, nachzulesen. Wenn eine Obstipation nicht hinreichend behandelt wurde, kann es zu einem Darmverschluss oder einer Darmlähmung kommen. Diese Komplikationen sind weit schwieriger zu therapieren und ziehen schlimme gesundheitliche Konsequenzen nach sich. Bei der Therapie kommen dann Infusionen und Magen-/Darmsonden zum Einsatz, die das Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten wieder erheblich einschränken. All das ließe sich im Vorfeld verhindern, wenn die Pflegefachkräfte genau beobachten, Gespräche mit den Patientinnen und Patienten führen und alle genannten Hilfestellungen und Maßnahmen beherzigen. Denn in den meisten Fällen kann man mit diesen vergleichsweisen einfachen Vorgehensweisen so eine Obstipation erfolgreich bekämpfen.

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Reiner Henrich